VITA DELLA CONGREGAZIONE

PATER STANISLAUS LOH: HERZ-JESU-PRIESTER

Bernhard Bothe, scj
Pater Stanislaus (Franz) Loh

* 25. Februar 1879, Nordhorn (Kr. Grafschaft Bentheim)
Ý 20. März 1941, Gefängniskrankenhaus Düsseldorf

Franz Bernhard Loh wurde am 25.2.1879 als Sohn der kath. Eheleute Heinrich Loh und Maria, geb. Schomacker, in der niedersächsischen Stadt Nordhorn geboren und am folgenden Tag in der dortigen Pfarrei St. Augustinus durch Kpl. Albert Mülder getauft. Die Kreisstadt Nordhorn liegt in der alten Grafschaft Bentheim im Nordwesten Norddeutschlands nahe der niederländischen Grenze. Franz entstammte einer Handwerkerfamilie. Sein Urgroßvater Bernhard Loh war Zimmermann und Holzhändler, sein Großvater Bernhard Loh (1801-1876) Schuhmacher und sein Vater Heinrich Loh (1846-1918) Färbermeister und zugleich Küster der Pfarrei St. Augustinus. So hatte auch der zweite Name von Franz Loh, „Bernhard“, Tradition in der Familie Loh Seine Eltern verstarben 1918 bzw. 1924, beide wurden 72 Jahre alt. Seine ältere Schwester Helene (1876-1954) war Hotelköchin und Pfarrhaushälterin. Ein jüngerer Bruder hieß gleichfalls Bernhard (1885-1957) und war Kaufmann. Sein jüngster Bruder Johannes (1892-1915) fiel als Gefreiter im Ersten Weltkrieg.

Franz Loh wuchs in einer tief religiösen kath. Familie auf. Die hl. Erstkommunion empfing er am Weißen Sonntag 1893. Am 7.9.1898 wurde er durch Weihbischof Dr. Maximilian Gereon Graf von Galen gefirmt. Nach der Volksschulzeit erlernte er das Schuhmacherhandwerk. In diesen Jahren erwachte seine Berufung zum Ordensleben. Er trat als Bruder in das Dominikanerkloster in Venlo ein. Dort übte er sein Schuhmacherhandwerk aus. Aber es drängte ihn immer mehr danach, doch noch Priester zu werden. Dazu tat sich ihm nach einiger Zeit ein Weg auf. Das Missionshaus der Herz-Jesu-Priester in Sittard (Niederlande) nahm ihn als Spätberufenen auf. Dort holte er seine Gymnasialstudien nach. Er war bereits 28 Jahre alt, als er in Sittard in die Ordensgemeinschaft der Herz-Jesu-Priester eintrat und das Einführungsjahr als Novize begann. Am 25.9.1908 legte er mit 29 Jahren die ersten Gelübde ab. Es folgten Studien der Philosophie und Theologie im Scholastikat in der Stadt Luxemburg, wo er am 25.7.1913 auch die Priesterweihe empfing.

Von 1913 bis 1919 war Loh als Priester in der vorwiegend von Arbeitern bewohnten Pfarre Heilig-Geist in Wien-Ottakring tätig. Im Ersten Weltkrieg wurde er für einige Zeit als Sanitäter eingezogen. Von Wien ging Loh nach seiner Ernennung zum Rektor des Missionshauses Sittard zurück und leitete das Haus von 1919 bis 1922. Was Loh auszeichnete, war seine tiefe Erfassung des Ordenslebens und sein bescheidenes Wesen, mit dem er ohne viel Aufsehens seine Pflicht tat und ganz für seine ihm anvertrauten Mitbrüder und für alle sorgte, die im Missionshaus ausgebildet wurden. Immer war er ein Oberer, der ihnen allen ein echtes Beispiel vorgelebten Ordenslebens gab.

Als Rektor des Missionshauses Sittard trug sich Loh mit dem Gedanken, auch in Deutschland eine Klosterschule zu gründen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen bot sich ihm mit Hilfe des von ihm geschätzten Ordensbruders Bonifatius Berger (1871-1937), der aus dem Emsland stammte, eine Gelegenheit in Handrup bei Lingen. Die Verhandlungen mit der Zivilgemeinde führten schnell zum Erfolg. Die kirchliche Erlaubnis zur Klostergründung wurde am 21.4.1920 vom Osnabrücker Bischof Dr. Wilhelm Berning erteilt. Im Jahre 1921 wurde der Bau begonnen. Seit dem 19.9.1922 leitete Loh als erster Rektor das Haus in Handrup. Am 22.5.1923 zogen die ersten 25 Schüler ein. Infolge der Inflation zahlten die meisten von ihnen ihre Pension in Naturalien. Trotz äußeren Mangels war es eine schöne, von Idealen erfüllte Zeit. Ein besonders freudiges Ereignis für den Rektor sowie für die Klostergemeinschaft und die Ortsgemeinde war die Einweihung der Kirche im Jahre 1927 durch den Bischof von Osnabrück. Nach achtjähriger Tätigkeit als erster Handruper Rektor (1922-1929) wurde Loh Anfang 1930 wieder zum Rektor von Sittard berufen. Die zwanziger Jahre hatten dem dortigen Missionshaus eine erfreuliche innere Festigkeit gebracht. Im Jahre 1929 erhielt die Missionsschule die Berechtigung, das Reifezeugnis auszustellen. Von Jahr zu Jahr stellte sie eine größere Zahl von Novizen. Aber inzwischen war die große Wirtschaftskrise ausgebrochen, die dem Rektor des Hauses große Sorgen bereitete.

Im Jahre 1935 holten die Nationalsozialisten mit den Devisenprozessen zu einem empfindlichen Schlag gegen kath. Ordensgemeinschaften aus, von dem auch die Herz-Jesu-Priester betroffen waren und der sie an den Rand des finanziellen Ruins führte. Die Herz-Jesu-Priester, die gerade erst in Deutschland Fuß gefaßt hatten, waren stärker als andere Gemeinschaften durch die Auseinandersetzung mit der Ideologie des Nationalsozialismus belastet. Gegen 13 Herz-Jesu-Priester wurden Prozesse geführt, die überwiegend mit empfindlichen Zuchthaus- und Geldstrafen endeten. Für die hohen Geldstrafen mußten die damals teilweise noch verschuldeten, weil gerade erst aufgebauten, Klöster der Provinz in Düsseldorf, Handrup, Neustadt, Freiburg, Bendorf und Krefeld haften.

Hiermit war Loh noch mehr belastet, als er 1932 zum Provinzial der Deutschen Ordensprovinz ernannt wurde und diese bis 1936 leitete. Er trug jetzt auch die Sorge um die neugegründeten Häuser in Deutschland, die, in der kurzen wirtschaftlichen Blütezeit entstanden, sich nun in einem schweren Existenzkampf befanden. Am meisten hatte infolge der deutschen Devisenbestimmungen das große Kloster in Sittard zu leiden. Durch die Regelung der Einschränkung des freien Geldverkehrs mit dem Ausland sah sich das Kloster nach und nach in eine immer schwierigere finanzielle Lage versetzt. Sämtliche Einnahmequellen lagen in Deutschland. So sah sich das Haus gezwungen, sich in der täglichen Lebensführung die größten Einschränkungen aufzuerlegen.

Als Provinzial versuchte Loh das Haus Sittard mit allen legalen Mitteln zu retten. Als aber die Freigabe der dem Haus Sittard aus seinen Druckerzeugnissen zustehenden Gelder bei der ordensfeindlichen Haltung der Regierung in Deutschland in keiner Weise mehr zu erreichen war - andere Auslandsschulen, die nicht Klosterschulen waren, war es möglich -, blieb dem Provinzial zur Rettung des Hauses nichts anderes übrig, als diese Gelder auf geheime Weise dorthin zu leiten. Er wurde dabei von anderen Mitbrüdern unterstützt. Es war für ihn eine furchtbare Situation, und er litt sehr unter dem Dilemma einer doppelten, widersprüchlichen Verpflichtung und unter der Verantwortung, die auf dem Provinzoberen lag. Auf die Dauer war die Situation unhaltbar. Die Angst davor hat Loh schwer zu schaffen gemacht.

Es kam zum Eklat bei einem freudigen Ereignis. 1935 wurde der zweite Generalobere der Herz-Jesu-Priester, Joseph Philippe, zum Bischofskoadjutor der Diözese Luxemburg ernannt. Nach seiner Bischofsweihe in Rom kam er bald nach Sittard, um dort Diakonen der Provinz die Priesterweihe zu erteilen. Am Tage darauf, als die Neupriester die erste hl. Messe gefeiert hatten, erreichte das Haus die Schreckensbotschaft: die deutsche Kriminalpolizei hatte zugefaßt. Ein deutscher Mitbruder aus der Druckerei der Herz-Jesu-Priester, der mit den Nationalsozialisten sympathisierte, hatte Verrat geübt. So war die Polizei, was man damals noch nicht wußte, aufs beste informiert, und ein guter Ausgang war nicht zu erwarten. Die Festfreude wich lähmendem Entsetzen. Einige Mitbrüder gingen nach Deutschland zurück, die Mehrzahl - vor allem die Rektoren - blieb in Sittard. Auch Loh ging nicht nach Deutschland zurück. Im April 1936 fand der Prozeß in Krefeld statt, wobei nahezu alle angeklagten und teilweise inhaftierten Herz-Jesu-Priester verurteilt wurden.

Zum Schluß beschäftigte sich der Staatsanwalt mit dem flüchtigen Loh Der Richter war der Meinung, ein unschuldiger Deutscher dürfe sich jedem deutschen Richter stellen, ohne befürchten zu müssen, bestraft zu werden. Der Staatsanwalt beantragte gegen ihn fünf Jahre Zuchthaus, vier Jahre Ehrverlust und 500000 RM Ersatzstrafe. Für die Ersatzstrafe von Loh und den anderen Angeklagten wurden die Klöster der Herz-Jesu-Priester verantwortlich gemacht. Das Urteil blieb hinter den beantragten Strafen zurück. Loh erhielt drei Jahre und sechs Monate Zuchthaus, vier Jahre Ehrverlust und 80000 Mark Ersatzeinziehung. Ihm wurde nach dem Urteil des Gerichtes als Provinzoberm auch die Hauptverantwortung angelastet. In Wirklichkeit war wie bei anderen Prozessen in dieser Zeit unverhohlene Diffamierungsabsicht gegen die kath. Orden in Deutschland die Hautriebfeder für die Verurteilung.

Für Loh waren die Verurteilungen, die in Krefeld gegen die Herz-Jesu-Priester ausgesprochen wurden, ein tiefer Schock, den er nicht überwand. Ihm war klar, daß sie den Ruin der Deutschen Ordensprovinz bedeuten mußten. Die folgenden Jahre verbrachte Pater Loh im Kloster der Herz-Jesu-Priester in Fünfbrunnen (Luxemburg). Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, legte man ihm nahe, nach Nordamerika zu gehen, wo deutsche Patres bereits zahlreiche Häuser gegründet hatten. Als auch der Westen vom Krieg überrollt wurde, war Loh in Luxemburg in einem Schwesternkloster untergetaucht. Er wurde am 10.12.1940 entdeckt und verhaftet. Nun begann sein Leidensweg. Zunächst kam er in die Strafanstalt Rheinbach bei Bonn. Nach einiger Zeit wurde er in das Gefängniskrankenhaus des Düsseldorfer Gefängnisses auf der Ulmer Höh verlegt. Die Reise dorthin mußte er unter doppelter Bewachung in einem normalen Zug unter für ihn sehr entwürdigenden Umständen, als Ordensmann gekleidet und erkenntlich, antreten. Darunter hat er maßlos gelitten, da ja so auch die Kirche und der Priester- und Ordensstand getroffen werden sollten. Was er sonst bei seinem feinen seelischen Empfinden gelitten hat, läßt sich nur erahnen. Loh hielt auch körperlich die Haft nicht durch. Die Härte des Haftaufenthaltes, verbunden mit einem Zuckerleiden, brachte den Tod. Erst einige Tage zuvor erfuhr die Ordensgemeinschaft von seinem Aufenthaltsort und von seinem ernsten Zustand. Sein Nachfolger als Provinzoberer, P. Peter Schunck, erhielt die Erlaubnis, mit dem Rektor der Düsseldorfer Niederlassung, den Todkranken zu besuchen. Sie durften sich nicht lange aufhalten. Erschüttert und mit Tränen in den Augen nahmen sie Abschied.

Am 20.3.1941 ist Loh gestorben. Nach seinem Tod wurde die Leiche freigegeben. P. Schunck ließ sie in rotem Meßgewand in den Sarg legen. Er nahm auch unter reger Beteiligung der Mitbrüder der Deutschen Ordensprovinz die Beisetzung in der Grabstätte der Herz-Jesu-Priester auf dem Düsseldorfer Südfriedhof vor. Eine Grabrede zu halten, war verboten worden. Zwei Gestapobeamte achteten am Grab darauf, daß dieses Verbot eingehalten wurde. Es war eine geradezu gespenstische Atmosphäre. Erschüttert verließen die Mitbrüder die Grabstätte.

Wie Loh noch seinen ihn kurz vor seinem Tod besuchenden Mitbrüdern gestand, wollte er seinen einsamen Tod für seine Ordensgemeinschaft aufopfern. Sein ganzes Leben als Ordensmann galt der Sorge um sie. In seinem langjährigen Leiden und in seinem Sterben um ihretwillen hat er in nicht zu übertreffender Weise das Wort des Herrn verwirklicht: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). 20 Jahre nach seinem Tod wurde ihm wie allen mit ihm verurteilten Mitbrüdern die Rehabilitierung zuteil, als am 18.5.1961 die entsprechenden Urteile durch Beschluß der Zweiten Großen Strafkammer in Krefeld aufgehoben wurden.

So möge sich für diesen Martyren des Glaubens bewahrheiten, was seine Mitbrüder ihm auf den Totenzettel schrieben: „Geburt ist Sterbens Anfang, der Tod des Lebens Aufgang: strahlender Beginn!“

QQ: Archiv der Pfarre St. Augustinus, Nordhorn; Archiv der Kongregation der Herz-Jesu-Priester, Bonn; Niederrheinische Volkszeitung 88 (5.4.1936) Nr. 96; F. Rose, Mönche vor Gericht. Eine Darstellung entarteten Klosterlebens nach Dokumenten und Akten (Berlin 1939, 156-158 [NS-Schrift]); Necrologium congregationis sacerdotum a Sacro Corde Jesu, I: 1879-1978 (Rom 1978).

Lit.: G. Haskamp, Der Spökenkieker von Handrup, eine Art Chronik über das Missionashaus und die Pfarrgemeinde (Handrup 1978); ders., Eine Lebenschronik, 2 Teile (o.O. o.J.); W. Krimpert, In Schwerer Zeit, in: Kalender „Leben in Fülle“, hrsg. Vom Provinzialat der Herz-Jesu-Priester (Bonn 1992) 86-89; H. Moll, Ein im Blut gegebenes Zeugnis des Widerstandes. Die Märtyrer des 20. Jahrhunderts dem Vergessen entreißen, in: OR (D) 26 (1.11.1996) Nr. 26, 4; Balling-Riebartsch, 199; Hehl-Kösters, Priester, 759.

(In: Zeugen für Christe, hrsg. von Helmund Moll, Paderborn 1999)